Hannover: Geschäftsklima in Russland deutlich verbessert

Russland wirbt auf der Hannovermesse mit Vorzugsbedingungen um Investoren. Russland.NEWS sprach mit Stephan O. Schulte, Generaldirektor der OOO Symrise Rogovo, einer russischen Niederlassung des deutschen Konzerns Symrise AG aus Holzminden, über seine Erfahrungen in der Praxis

Herr Schulte, stellen sie bitte kurz Ihr Unternehmen vor.

Symrise ist ein globaler Anbieter von Duft- und Geschmacksstoffen, kosmetischen Grund- und Wirkstoffen sowie funktionalen Inhaltsstoffen. Zu den Kunden gehören Parfüm-, Kosmetik-, Lebensmittel- und Getränkehersteller, die pharmazeutische Industrie sowie Produzenten von Nahrungsergänzungsmitteln und Heimtiernahrung.

Man kennt uns kaum, aber unsere Produkte kennt jeder. Ob es das Gewürz auf den Kartoffelchips ist oder Zahnpasta. Unsere fast 10.000 Mitarbeiter weltweit stellen über 30.000 Produkte her.

In Russland ist Symrise schon seit rund 30 Jahren vertreten, Neben den Vertriebsabteilungen gibt es auch ein Entwicklungszentrum, das die Bedürfnisse der Kunden in Russland und der GUS untersucht und entsprechende Kompositionen kreiert. Im Jahre 2011 haben wir dann die erste Produktionsstätte in Russland in Betrieb genommen, 2015 ein Werk unserer Konzerntochter DIANA PET in Schebekino, Belgoroder Gebiet, die auf Geschmackszusätze für Hunde- und Katzenfutter spezialisiert ist. Ausschlaggebend für diese Entscheidung war, dass der Anteil des russischen Markts für Heimtiernahrung am europäischen Markt neun Prozent beträgt und weltweit am schnellsten wächst.

Wie bewerten sie aus Ihrer Erfahrung die Arbeitsbedingungen für ausländische Unternehmen in Russland und besonders in Moskau?

Wir haben hier in Hannover auf der Veranstaltung zum Geschäftsklima in Moskau viel über die Unterstützung gehört, die Investoren – einheimischen wie ausländischen – gewährt wird, vor allem in Form von Steuererleichterungen, aber auch in organisatorischer Hinsicht. Das ist sehr hilfreich, das Wichtigste ist allerdings für einen potenziellen Investor, dass er einen starken Business Case, also eine positive betriebswirtschaftliche Bewertung einer Geldanlage, hat. Aber die ist in Russland allemal gegeben. Es ist immerhin das größte Land in Europa. Es wird heutzutage gern mal vergessen, dass Russland zu Europa gehört und ein perspektivischer Wachstumsmarkt ist. Wir sind mit unserer Investition nicht in einen der Moskauer Industrieparks gegangen. Für viele Russland-Neulinge ist so eine Anbindung sicher von Vorteil, weil dort politische und finanzielle Unterstützung gegeben sind. Wir haben unser Projekt aus eigener Kraft gestemmt, was ich an manchen Stellen bedauert habe.

Die wirtschaftliche Entwicklung in Russland lief in den vergangenen zehn Jahren alles andere als rund. Wie haben Sie diese Zeit durchgestanden?

Bei allen Krisen, die wir in Russland erlebt haben, gab es für uns ein konstantes Wachstum. Das war möglich, weil wir mit dem richtigen Produkt zur richtigen Zeit auf dem Markt waren und weil wir die Unterstützung von den politischen Führungen Moskaus und des Moskauer Gebietes hatten.

Russland lag 2011 im internationalen Geschäftsklimaindex auf Platz 123, im vergangenen Jahr auf Platz 35. Das ist eine unglaubliche Entwicklung, die ihresgleichen sucht.

Das heißt, alles läuft bestens?

Sicher gibt es nach wie vor Investitionshemmnisse. Was uns in unserer Entwicklung bremst, sind die langen Wartezeiten auf Baugenehmigungen. Hier liegt Russland im Weltmaßstab auf Platz 135. Aber wir haben uns im vergangenen Jahr hier in Hannover mit Vertretern der Stadt Moskau getroffen und sie versprachen uns Hilfe, die wir dann auch umgehend erhielten. Ein anderes Problem, was allerdings nichts mit der Politik zu tun hat, sind die zahlreichen Aufsichtsbehörden, die uns mitunter etwas quälen. Zudem gibt es in manchen Bereichen auch Tendenzen des Protektionismus, die es ausländischen Unternehmen, die in Russland produzieren wollen, nicht immer einfach machen. So werden Forderungen erhoben werden, die rein russische Betriebe nicht erfüllen müssen, etwa eine bestimmte Zahl von Arbeitsplätzen zu schaffen, was bei nahezu vollautomatischen Anlagen kaum möglich ist. Aber auch hier gibt es bei den Behörden inzwischen ein Umdenken.

Unter dem Strich kann ich aber sagen, dass gerade Moskau ein gutes Pflaster für Investitionen ist, ein zukunftsträchtiger Markt und ein riesiges Reservoir an gut ausgebildeten Arbeitskräften. Wir haben in unseren Betrieben in Moskau und im Moskauer Gebiet qualifizierte und hoch motivierte Mitarbeiter.

Als ein in Russland produzierendes Unternehmen dürften die Sanktionen recht wenig Auswirkungen auf Ihre Tätigkeit haben?

Im Gegenteil. Wir leiden sehr unter den russischen Gegensanktionen auf landwirtschaftliche Produkte, die uns auch betreffen, da wir viel mit natürlichen einheimischen Rohstoffen arbeiten. Damit bricht uns der gesamte europäische Markt weg. Als Konsequenz orientieren wir uns nun verstärkt auf Asien, was uns allerdings vor andere Anforderungen stellt. Wir haben vor wenigen Tagen ein neues Kreativzentrum in Shanghai eingeweiht. Gleichzeitig wurde der erste Bauabschnitt der Produktionsstätte in Nantong abgeschlossen.

Trotzdem hoffe ich darauf, dass Sanktionen bald abgesetzt werden. In Russland bewirken sie inzwischen kaum noch etwas und sorgen nur dafür, dass sich das Land andere Partner sucht.

In den deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen wird viel von Lokalisierung der Produktion in Russland gesprochen, auch hier in Hannover. Sehen sie sich als erfolgreiches Beispiel dieser Entwicklung?

Wir hatten unsere Entscheidung, in Russland zu produzieren, bereits lange getroffen, bevor dieser Begriff zum Schlagwort wurde. Der unternehmerische Erfolg hat uns letztendlich Recht gegeben. Wir haben uns damals, wie auch später, nicht um politische Entwicklungen gekümmert, sondern einzig auf den Markt geschaut. Ich möchte auch andere Mittelständler ermutigen, den Schritt nach Russland zu gehen, aber nicht, ohne vorher den Markt zu analysieren.

[hh/russland.CAPITAL]

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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